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.Dagegen konnten die Freuden ihres Lebens kaum bestehen: ein sonniger Blütentag im Frühjahr, der Duft des frischen Heus, eine warme Pferdeschnute, die ihr sanft seine Zuneigung ins Ohr pustete.Vielleicht die Gefühle eines Ehemannes, den sie bereits von Kindesbeinen an kannte und der sie irgendwann unbeholfen küsste?Aber was ist schon Liebe, dachte Wiebke.Glücklich das Paar, das sich auch nach diesem ersten Kuss mit Achtung und Zuneigung in die Augen blicken kann und das nach Jahren des gemeinsamen Lebens mehr verbindet als eine Schar Kinder und die nie enden wollende Arbeit.Zu oft hatte sie beobachtet, wie die Mühen des Alltags den Glanz in den Augen vieler Eheleute überdeckt hatten, bis er schließlich ganz verloschen war.Nein, so wollte sie nicht leben.Wiebke wusste, dass sie Hans Soodt so gut wie versprochen war.Doch der Spielgefährte aus Kindertagen war zu einem wenig reizvollen Mann herangewachsen.Sein Gesicht erinnerte sie an rohes Holz.Seine laute Stimme war dafür gemacht, gegen störrische Viehherden anzubrüllen.Welche Geheimnisse die Welt außerhalb des Dorfes bereithielt, schien den jungen Bauern nicht zu interessieren.Hans sah nur auf seine Ackerfurchen, er achtete nicht auf den Horizont.Und was sich dahinter verbarg, daran verschwendete er erst recht keinen Gedanken.Seufzend hielt die junge Frau inne und rieb sich ihre Hände, die vom kalten Wasser ganz rot und steif geworden waren.Sie fühlte sich mutlos und suchte in ihrer Erinnerung nach einem Halt.„Die Hoffnung ist größer als das Meer“, hatte ihr die Mutter immer zugeflüstert, wenn sie traurig gewesen war.Als Reiter über die große Brücke ritten und in Richtung Marktplatz verschwanden, blickte sie ihnen sehnsüchtig nach.Die Viehhändler und Kaufleute, die den Platz um die hölzerne Rolandstatue mehrmals im Jahr beim Ochsenmarkt bevölkerten, brachten Leben in die Stadt.Wenn das Vieh auf seinem Weg von Jütland in den Süden unter dem Ritterstandbild verkauft wurde, mischte sich das Mädchen gern unters Volk.Gierig atmete es die staubige Luft ein, die nach fernen Orten roch.Was gab es dort alles zu sehen! Auf dem Viehmarkt wechselten nicht nur Rinder und Pferde ihren Besitzer.Die Markttage zogen auch Gaukler und andere Schausteller in die Stadt, die jonglierten, Zauberkunststücke aufführten und selbst gebraute Medizin gegen Warzen, Gicht und andere Zipperlein verkauften.Und an allen Ecken bekam man Geschichten aus der Fremde zugeflüstert.Wiebke versuchte sich vorzustellen, wie die Menschen jenseits der Stadtgrenzen lebten.Wie sah ein Sommertag im hohen Norden aus, wo angeblich immer Schnee liegen sollte? Und die Kinder im heißen Süden, kannten sie gar kein Eis und keinen Frost? Und wie lebten die Menschen in den großen Städten, wo man Tür an Tür hauste und sich oftmals nicht beim Namen kannte? Wo man im geschäftigen Treiben in den engen Straßen oft nur schwer vorankam.Gern wäre sie heimlich in einen der großen Reisewagen gestiegen, wenn sich die Händler wieder zum Aufbruch bereit machten und der Ruf „Hüüü Oss“ die schwerknochigen Ochsen mühsam in Marsch setzte.Sie wollte die großen Handelsplätze – Frankfurt, Leipzig, Nürnberg oder Augsburg – sehen.Die Händler berichteten, dass Deutschland ein Netz aus Straßen durchzog, an deren Knotenpunkten die Handelsstädte als Marktplätze für die Waren lagen.Aus dem Osten kamen die Rohstoffe, der Westen lieferte das Werk seiner Arbeiter, die Erzeugnisse seiner Weber, Schmiede, Brauer und Winzer.Westindischer Zucker etwa wurde in den Hamburger Zuckerbäckereien verarbeitet und von dort weiter verschickt.Russische Pelze nahmen über Leipzig kommend ihren Weg, gesalzene Fische fanden über Lübeck ihre Käufer, orientalische Seide und Gewürze kamen aus Venedig über Augsburg.Salz, Eisen, Sandstein und Getreide wurden auf der Elbe und Oder verschifft.Spanische und englische Wolle, die in Deutschland gesponnen wurde, konkurrierte auf den Märkten mit spanischen und englischen Stoffen.Der Handel war der nie versiegende Lebensstrom des Reichs, welches dichter mit Städten besiedelt war als die benachbarten Länder.Der ständige Durchzug von Kaufleuten und das Kommen und Gehen von Fremden hatte das Land und auch die kleine Stadt stark beeinflusst.Doch heute schien der Ort andere Besucher zu beherbergen.Schon seit Tagen flüsterte man in den Straßen, der König werde im Gutshaus erwartet.Die Gutsherrin hatte in den vergangenen Tagen Unmengen an Zuckerhüten, Rosinen, Mandeln und Gewürzen geordert, die über Hamburg gekommen waren.Jetzt drang das Geräusch der Bratenspieße über den Fluss.Kein Zweifel, für die Mittagsstunde wurde ein Festmahl vorbereitet.Und mehr als ein Ochse hatte dafür sein Leben lassen müssen.Wieder näherten sich Reiter der Brücke.Aber bei den Reisenden konnte es sich wohl kaum um den König und seine Gefolgschaft handeln
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