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.Sonntag morgen … jetzt ist Freitag.Noch zwei Tage.Alles ist da.Der Blonde schläft … der Unrasierte trinkt mit wilden Schlucken, und es ist kalt im Waggon, es zieht unter der Tür her, und die Gebete sind erloschen, und der Gedanke an die Augen er- weckt nicht mehr dieses schmerzliche Glück, nur Trauer und Verlassenheit.Alles ist da, und alles hat morgens ein anderes Gesicht, alles ist glanzloser und alles ist zwecklos, und es wäre schön, unendlich schön, wenn morgens auch dieses Bald erloschen wäre, dieses jetzt sehr bestimmte, sehr gewisse Bald.Aber dieses Bald ist da, es ist immer gleich da, als habe es Sprungbereit gewartet; seitdem er das Wort ausgesprochen hat, liegt es auf ihm wie ein zwei- tes Gesicht.Zwei Tage schon ist es so nahe bei ihm, so unzertrennlich mit ihm verbunden wie seine Seele, sein Herz.Dieses Bald ist auch morgens stark und sicher.Sonntag morgen …Der Unrasierte hat auch gemerkt, daß Andreas aufge- wacht ist.Er steht noch immer über ihm und trinkt an der Flasche.Im fahlen Dämmer sieht das schrecklich aus, die- se dicke Gestalt, halb gebeugt wie zum Sprung, die Fla- sche am Hals und die glitzernden Augen und das seltsame, gefährliche Glucksen aus der Flasche.»Wo sind wir?« fragt Andreas leise und heiser.Er hat Angst, es ist kalt und noch fast ganz dunkel.»Nicht mehr weit von Przemysl«, sagt der Unrasierte.»Willst du trinken?« – »Ja.« Der Schnaps ist gut.Er läuft wie scharfes Feuer in ihn hinein, er treibt das Blut rund, wie Feuer unter einem Kessel Wasser zum Sieden bringt.Der Schnaps ist gut, er wärmt ihn.Er gibt dem Unrasierten die Flasche zurück.»Trink nur«, sagt der Unrasierte rauh, »ich hab in Kra- kau neuen geholt.«»Nein.«Der Unrasierte setzt sich neben ihn, und es tut gut, einen Menschen zu wissen, der nicht schläft, wenn man wach und von Trostlosigkeit erfüllt ist.Alle schlafen, der Blon- de schnarcht wieder pfeifend und leise in der Ecke, und die anderen, die furchtbar Schweigsamen und die furcht- baren Schwätzer, alle schlafen sie.Es ist eine gräßliche Luft auf dem Flur, sauer und mit Schmutz durchsetzt, voll Schweiß und Dunst.Plötzlich fällt ihm ein, daß sie schon in Polen sind.Sein Herz bleibt einen Augenblick stehen, es stockt wieder, als habe die Vene sich plötzlich verknotet und lasse kein Blut mehr durch.Nie mehr werde ich Deutschland sehen, Deutschland ist weg.Der Zug hat Deutschland verlassen, während ich schlief.Irgendwo war ein Strich, ein unsicht- barer Strich über ein Feld oder quer durch ein Dorf, und da war die Grenze, und der Zug ist kaltblütig darüber gefah- ren, und ich war nicht mehr in Deutschland, und niemand hat mich geweckt, damit ich noch einmal in die Nacht starre und wenigstens ein Stück von der Nacht sehe, die über Deutschland hängt.Keiner weiß ja, daß ich es nicht mehr sehen werde, keiner weiß, daß ich sterben werde, keiner im Zug.Niemals mehr werde ich den Rhein sehen.Der Rhein! Der Rhein! Niemals mehr! Dieser Zug nimmt mich einfach mit und schleppt mich nach Przemysl, und da ist Polen, trostlosestes Polen, und niemals werde ich den Rhein sehen, niemals mehr ihn riechen, diesen köstli- chen herben Geruch von Wasser und Tang, der an jedemStein am Ufer des Rheines hängt, der darin festgewachsen ist.Niemals mehr die Alleen am Rhein, die Gärten hinter den Villen und die Schiffe, die bunt sind und sauber und froh, und die Brücken, die herrlichen Brücken, die streng und elegant über das Wasser springen wie große schlanke Tiere.»Gib mir noch einmal die Flasche«, sagt er rauh.Der Unrasierte reicht sie ihm, und er nimmt einen sehr tie- fen und sehr langen Schluck von diesem Feuer, diesem flüssigen Feuer, das die Trostlosigkeit des Herzens aus- brennt.Dann raucht er, und er wünscht, daß der Unrasierte anfangen soll zu sprechen.Aber erst möchte er doch be- ten, gerade weil es so trostlos ist, darum will er beten.Er sagt dieselben Gebete her wie am Abend, aber jetzt betet er zuerst für die Augen, damit er sie nicht vergißt.Die Augen sind immer bei ihm, aber nicht immer in gleicher Deutlichkeit.Manchmal tauchen sie unter für Monate und sind nur da, so wie seine Lippen da sind und seine Füße, die er immer bei sich hat und deren er sich doch nur selten bewußt wird, nur wenn sie schmerzen; und manchmal, in unregelmäßigen Abständen, oft nach Monaten, tauchen die Augen auf, das war gestern, tauchen auf wie ein neuer brennender Schmerz, und an diesen Tagen betet er abends für die Augen; heute muß er morgens für die Augen beten.Er betet auch wieder für die Juden von Czernowitz und für die Juden von Stanislau und Kolomea; da sind überall Ju- den in Galizien, Galizien, das Wort ist wie eine Schlange, die winzige Füße hat und die Gestalt eines Messers, eine Schlange mit blitzenden Augen, die sanft über die Erde schleicht und schneidet, die die Erde entzweischneidet.Galizien … das ist ein dunkles, schönes und sehr schmer- zensreiches Wort, und in diesem Lande werde ich sterben.Es ist viel Blut in diesem Wort, Blut, von dem Messerfließen gemacht.Bukowina, denkt er, das ist ein gediege- nes Wort, ein festes Wort, da werde ich nicht sterben, ich werde in Galizien sterben, in Ostgalizien.Ich muß doch, wenn es hell wird, nachsehen, wo die Bukowina anfängt, die werde ich nicht mehr sehen; so komme ich immer nä- her.Czernowitz, das ist schon Bukowina, das werde ich nicht mehr sehen.»Kolomea«, fragt er den Unrasierten, »ist das noch Gali- zien?«»Weiß nicht.Polen, glaub ich.«Jede Grenze hat eine furchtbare Endgültigkeit.Da ist ein Strich und Schluß.Und der Zug fährt darüber weg, wie er ebensogut über eine Leiche fahren würde, oder über einen Lebenden [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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