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.Wie ein verängstigtes Kind, dachte Tobias Müller und fragte: »Wie geht es Ihnen heute?«»Ich werde Sie nicht lange belästigen.Ich möchte nur beichten.« Sie senkte den Kopf.Müller hätte gern ihr Kinn angehoben, damit sie ihn ansah.Doch er wagte es nicht.»Beichten?«, fragte er stattdessen nur.Er konnte sich nicht vorstellen, welche Sünde ausgerechnet Miriam Roth, diese fromme Frau, ihm hätte anvertrauen sollen.»Unsere Konfession kennt keine klassische Einzelbeichte, Miriam, das wissen Sie doch.Aber morgen im Gottesdienst haben wir unser gemeinsames Sündenbekenntnis mit Zuspruch der göttlichen Vergebung.« Vorsichtig nahm er ihre Hand, als sie nicht reagierte.»Was bedrückt Sie so sehr?«Miriam trat einen Schritt zurück und entzog ihm die Hand.»Ich bin Gott nicht würdig.Ich hatte böse Gedanken.«»Meine liebe Miriam« – Tobias Müller machte eine abwehrende Handbewegung –, »davor ist niemand sicher.Wir sind Menschen.Wir können nicht verhindern, dass finstere Ideen wie ein Vogelschwarm über unseren Köpfen kreisen.Aber wir können verhindern, dass sie dort Nester bauen.« Schon Luther hatte dies so trefflich auf den Punkt gebracht.»Sie sind ein guter Mensch, Herr Pfarrer«, sagte Miriam.»Aber ich …« Sie verstummte.»Es ist wegen Ihrer Mutter, nicht wahr?«Miriam Roth zupfte am Ärmel ihres Kleids.Sie war blass, und er fürchtete, sie würde jeden Moment zusammensinken.Er führte sie zu der breiten Orgelbank, und sie setzten sich nebeneinander.Unendlich langsam, wie in tiefer Ehrfurcht vor dem Instrument, strich sie über die Tasten, sagte aber nichts.»Wie geht es Thea?«, fragte Tobias Müller.»Mama hat …« Sie nahm die Hand vom Manual, schluckte.Er wartete ab, wollte sie nicht drängen.»Ich mache mir solche Sorgen.«Müller betrachtete Miriam.Ihr Gesicht war fein geschnitten, und die hohe Stirn verlieh ihren weichen Zügen etwas Aristokratisches.Doch ihre vollen Lippen, die sonst so oft lächelten, waren jetzt aufeinandergepresst.»Haben Sie das von unserem Nachbarn gehört?« Miriam Roth wandte sich ihm zu.Ihre Blicke trafen sich, und er faltete die Hände in seinem Schoß.»Nein.Was ist geschehen?«»Ein Mann aus unserem Haus ist ermordet worden.«Müller schluckte.Bestimmt ging Miriam das sehr nahe.»Das ist ja furchtbar.Ich werde für den Mann beten.«»Was ist, wenn Mama auch etwas passiert?« Ihre großen, blauen Augen flackerten unruhig, als sie den Kopf schüttelte.»Ich meine nicht, dass jemand sie umbringt.« Sie schob die Hände unter die Puffärmel ihres Kleids, als friere sie.»Sie ist doch so ein guter Mensch.«»Ja, das ist sie.« Der Seelsorger dachte an die letzte Christmette.Es war eine eisige Heilige Nacht gewesen, Regen war durch die Straßen gepeitscht, und wie schon viele Jahre zuvor hatten die Menschen vergeblich auf Schnee zu Weihnachten gehofft.Seine eigenen Kinder kannten diesen Tag nur nass, grau und kalt.Trotzdem war ein Häufchen Gläubiger in dicken Jacken und mit Regenschirmen in die Kirche gekommen.Die Heizung war alt und schwach, doch er hatte die elektrischen Heizkörper aus der Abstellkammer geschleppt, um die Temperatur erträglich zu machen.Hatte Kerzen am Christbaum angezündet und die Krippenfiguren seiner Großmutter neben dem Altar aufgestellt.So richtig heimelig war es ihm dennoch nicht erschienen.Als er eben mit der Liturgie begonnen und aus dem Buch des Propheten Micha gelesen hatte, hatten sich beide Flügel der Tür geöffnet, und Miriam war mit einer Frau mittleren Alters hereingekommen.Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei.Tobias Müller hatte von der Bibel aufgeblickt.Er sah die beiden noch vor sich: untergehakt, Miriam in einem triefenden, viel zu dünnen Mantel, die Ältere fast im Partnerlook, mit hochgeschlagenem Mantelkragen und irrlichterndem Blick.Doch die innige Vertrautheit, die die beiden Frauen ausgestrahlt hatten, hatte die Kirche mit einer Wärme erfüllt, die er noch jetzt, sieben Monate später, fast körperlich spüren konnte.Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat.Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des Herrn seines Gottes.Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist.Seither kamen Miriam und ihre Mutter jeden Sonntag zum Gottesdienst, und Thea Roth kehrte langsam ins aktive Leben zurück.Half den Nachbarn bei den Einkäufen, las ihnen vor und wollte beim Sommerfest Waffeln backen.Stark sein für den Nächsten – den Nächsten stark machen.Thea Roth hatte das verinnerlicht.Und sie wuchs daran.Tag für Tag.»Sie nimmt sich diesen fremden Tod so zu Herzen.Verstehen Sie? Mama ist … sie hat … es kommt alles wieder hoch.Die Konfrontation mit dem eigenen Tod.Der Schock, ihre Geschichte, die –«»Miriam.« Er legte seine Hand auf ihre Schulter und spürte jeden ihrer Knochen.Sie glaubt, sie müsse die Last der ganzen Welt allein tragen, dachte er und sagte: »Ihre Mutter muss selbst entscheiden, was sie sich schon zutraut und was nicht.Einem andern Menschen gewaltsam das Leben zu nehmen ist ein grauenvolles Verbrechen.Ihre Mutter darf darunter leiden, sie darf sich das zu Herzen nehmen.Es ist menschlich.Die Strafe über den Täter wird Gott verhängen! Ihre Mutter, die geht ihren Weg, und sie geht ihn gut.«»Ich bin so froh, dass sie es geschafft hat.« Miriam wiegte den Kopf.»Der Tag, an dem wir zum ersten Mal wieder am Tisch gesessen haben, als sie wieder zu Hause war, das war … nein, es ist ein einzigartiges Geschenk.Ein Geschenk von Gott.Er hat sie diesen schrecklichen Sturz überleben lassen.Aber jetzt … Sie muss sich schonen! Ich möchte nicht, dass sie an diesen Nachbarn denkt, das macht sie verrückt.Auch wenn sie es zu verbergen versucht.Es zieht sie in ein Loch.«Sanft strich er ihr über den Rücken wie einem kleinen Kind und ließ dann die Hand sinken.»Sie müssen ihr vertrauen.Thea wird ihr eigenes, neues Lebenstempo finden.Und ein paar Gedanken, auch wenn die uns nicht gefallen, müssen wir ihr schon gönnen.«»Es überfordert mich.« Eine große Träne lief Miriam über die Wange.»Und jetzt … Sogar die Polizei hat mich befragt.Ob ich etwas über ihn wüsste und so.Warum nur? Ich musste mich so zusammennehmen [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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