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.Er vergaß, daß es zwölf Uhr mittags war, die Sonne schien und ihm das Licht in die Augen stach.»Du bist hübsch«, sagte er und zeigte noch ein Lächeln, das übergangslos gerann.»Du schaffst mich noch.«Sie gingen zum Wagen zurück.Der Fahrer riß schon von weitem den Schlag auf.Er trug einen dunklen Marengoanzug, der wie eine Uniform aussah.Genauso ausgesucht wie seine Kleidung wirkten seine Manieren.Sie waren so korrekt, daß sie die Fahrgäste nervös machten.Aber Christian wußte, wie er die Tortur heimzahlte: Er zwang den Chauffeur, mit ihnen am Tisch zu essen.Sie erlebten, daß der Mann unsicher wirkte, obwohl er manikürte Fingernägel hatte.Der Wagen fuhr wieder aus der Stadt hinaus, erreichte die Autobahn.»Der Empfang spielt sich auf einem kleinen Lustschloß ab«, erläuterte Christian.»Es gehört dem Konzern.« Er lächelte boshaft.»Eine der unbezahlbaren und kostspieligen Ideen unserer verehrten Gastgeberin.«»Noch weit?« fragte Jutta.»Etwa zwanzig Kilometer«, antwortete der Fahrer, ohne sich umzudrehen.»Darf ich Sie gleich zu Ihrem Hotel bringen, Herr Schindewolff?« fragte er dann.Das Gästehaus verbarg hinter einem nichtssagenden Dutzendnamen die nur wenigen bekannte Tatsache, daß es dem Konzern gehörte.Es verdankte sein Entstehen den kulturellen Schindewolff-Abenden; deshalb gab es in einem kleinen Dorf mit wenig Fremdenverkehr ein Luxushotel.Für Jutta und Christian waren zwei Appartements reserviert.»Es wird ernst«, stellte Christian mit ungewöhnlicher Heiterkeit fest, »jetzt müssen wir uns maskieren.«Sie hatten Zeit.Christian nutzte das Alleinsein, um sich ein paar Schnäpse aus der Bar heraufschicken zu lassen.Jutta schlüpfte in einen türkisblauen Cocktailanzug.Ihre Vorbereitungen zum Fest waren kurz und kundig: ein paar geschickte Handgriffe.Viel war nicht zu machen.Es gab kaum etwas zu verbessern und nichts zu verbergen.Der Fahrer brachte sie auf das Schloß.Die Anfahrt war bereits in vollem Gange, und einen Moment lang trieben beide in der Anonymität eines wohlgelaunten, wohlgekleideten, wohlsituierten Trubels.Am Eingang zum Spiegelsaal löste er sich in disziplinierte Paare auf wie beim wohltemperierten Abschlußball zur Polonaise.Der Engpaß, an dem sich alles staute, war Aglaia: Jutta, die Christians und Eriks Abneigung gegen die Gastgeberin gespürt hatte, war verwundert, wie apart, klug und natürlich sie wirkte.Juttas Augen verfolgten sie ungeniert: Sie regierte wie eine demokratische Königin, konstitutionell wie souverän.Sie führte zusammen und trennte, schürte und bremste, unterband und kuppelte.Sie konnte sich zwischen ein paar hundert Personen bewegen, ohne einen zu übersehen, und dabei noch den Eingang im Auge behalten.Aglaia hatte Christian sofort erkannt, und was sie auch empfinden mochte, sie lächelte ihm zu, als sei er ihr liebster Gast und das Mädchen in ihrer privaten Rangliste die nächste.»Wie schön, dich zu sehen«, rief sie und hielt Christian mechanisch und zwecklos die Wange hin.Dann wandte sie sich an Jutta: »Ich hoffe, Sie fühlen sich bei uns wohl.«Sie kannten sich erst ein paar Sekunden, doch schon zeigte die Gastgeberin einen Hauch von Vertraulichkeit: »Ich glaube, Sie sind hier die Prinzessin.«»Danke«, erwiderte Jutta.»Sie haben so etwas Frisches, etwas so Natürliches.Wir leben zu sehr in den Sielen.Wir sind ja alle schon verdorben.«»Von den Sielen?« fragte Jutta.»Von Konventionen«, entgegnete Aglaia lächelnd, »von Coiffeuren, von Gesichtschirurgen, von Schönheitsfarmen, von Modeschauen, von Sonntagspredigten und von Gesundheitsrezepten.«»Sie auch?«»Auch ich«, antwortete die Gastgeberin ohne Zögern.»Und eines Tages gehören Sie zu uns«, setzte sie hinzu.»Dann wird es Ihnen genauso ergehen.« Sie lachte.»Mit zwanzig kann man noch essen, was man will.«Die Cour ging weiter.Die Gastgeberin war beim nächsten Vorzugsgast.Jutta hatte Gelegenheit, sich in dem kerzenbeleuchteten Spiegelsaal umzusehen.Barock kannte sie von anderen Gelegenheiten, aber der repräsentative Querschnitt der Schindewolff-Gäste war neu für sie.Er entsprach wohl dem Wahn der formierten Gesellschaft, den ein inzwischen abgehalfterter Bundeskanzler gepredigt hatte.Juttas Überlegungen gingen von soziologischen zu gesellschaftlichen Erwägungen über: Die weiblichen Gäste waren fast alle hübsch.Sie konnten es sein.Sie hatten Zeit und Geld.Die Angst vor dem Alter rang den meisten ungeheure Energieleistungen ab.Sie arbeiteten hart an Gesicht und Figur.Sie erdienten sich das Recht, gewagte Roben und wertvollen Schmuck zu tragen.Sie waren buntschillernde Orchideen, gezogen auf Mistbeeten der Langeweile.Viele nicht einmal dumm; die Dummen nicht einmal laut, und Jutta schien es, als sei ihr Gott die Kalorientabelle und der Ehebruch ihr Tagewerk.Sie verurteilten ihn, davor und danach.Sie gingen am Sonntag zur Kirche.Nicht immer, doch meistens.Sie waren gebildet, kulturbewußt.Sie bekannten sich zum Abendland, dieser Scheußlichkeit der Geschichte.Aber sie wußten wenig von Scheiterhaufen, Folter, Pogromen und Pestilenz.Ihre Erzieher hatten es unterschlagen – oder vielleicht selbst nicht einmal gewußt, weil deren Lehrer auch schon Abendländer gewesen waren.Jutta begegnete dem berühmten Prediger, der das Abendland von der Kanzel herunter beschwor und sich dabei von Bundeswehroffizieren schützen ließ, deren vorsorgliche Anforderung er nachträglich in Abrede stellte.Achtes Gebot: Du sollst nicht lügen.Jutta fragte sich, was es galt für einen christlichen Prediger, der mit Gott und Bonn im Frieden lebte.Der erste würde wohl auch der letzte Empfang solcher Art sein, den Jutta besuchte, und so interessierte sie jede Einzelheit.Sie wunderte sich über Dinge, die den Anwesenden selbstverständlich waren, und fand Dinge selbstverständlich, über die sich die anderen Gäste wunderten.Sie verfolgte, wie der Hausherr höflich zu allen und distanziert zu jedem war [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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